Auferstehungskirche Traunstein

 Auferstehungskirche Traunstein

Martin-Luther-Platz 6
83278 Traunstein

 Auferstehungskirche Traunstein
 
Bildrechte beim Autor
Bildrechte beim Autor
 

Neugotisch 
Architekt:
kgl. Bauamtsassessor Alfred Stamm

Errichtet 1898-1899
Geweiht 06.08.1899
Schwere Zerstörungen durch Luftangriff am 18. April 1945
Renoviert  in den 50er, 60er und 80er Jahren des 20. Jh.

Außen:

Errichtet (Mauerwerk) aus heimischem Nagelfluh (innen verputzt), Ziegeldeckung auf Turm und Langhaus, Tympanon über dem Haupteingang gestaltet von Prof. Schiestl, Würzburg (um 1907);

im Inneren:

Ruhpoldinger Rotmarmor (Säulen, Altarstufen usw.), Malerei (Chorbogen) Josef Widmann München, das große farbige Glasfenster des Altarraumes („Himmelfahrt Christi“), von W.F. Dixon aus der Hofglasmalerei F.X. Zettler, München fiel den Bomben zum Opfer;
1952 gestaltet der Marqaurtsteiner Künstler Heinrich von Kralik das Chorfenster neu;
1994 erhielt die Auferstehungskirche eine neue Orgel (Fa. Rohlf),
im Jahre 2005 neue Bronzeglocken (Fa. Perner, Passau).

Die Traunsteiner Auferstehungskirche - von Fritz Stahl

Am 1. Aug. 1860 nahm die königliche Staatseisenbahn ihren fahrplanmäßigen Betrieb auf der Strecke Rosenheim – Salzburg auf. 


Bildrechte beim Autor
 

Traunstein bekam so Anschluss an das europäische Streckennetz, wurde zur Station erster Klasse und Knotenpunkt für drei Nebenbahnen. Diese revolutionäre Änderung hatte entscheidenden Einfluss auf die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt. Neue Baugebiete entstanden, auch dieses Villenviertel, in dem nach zweijähriger Bauzeit die „Protestantische Kirche“ am 06.08.1899 feierlich eingeweiht werden konnte.

Das TW berichtet dazu am 14.08. das Bauwerk entspreche dem hohen Ziele der evangelischen Gemeinde, nämlich „ein Denkmal für alle Zeiten zu erbauen, dass jeden Kenner der Architektur zu Bewunderung und Anerkennung zwingen muss“.

So steht also das im Historismus geschaffene Gotteshaus mit seiner Schauseite vor uns; erst 1961 erhielt es mit Genehmigung des Landeskirchenrates den Namen Auferstehungskirche“: Wir sehen vor uns die Mauern aus Nagelfluh gefügt und das Dach mit roten Ziegeln gedeckt.

Bildrechte beim Autor

„Für alle Zeiten?“ Für die Chronik der Gemeinde berichtet  Pfarrer Nicol u.a.:Der Kunsthistoriker Professor Herbert Weiermann bescheinigt 100 Jahre nach dem der Satz geschrieben wurde der Kirche, zu den besten Schöpfungen der Neugotik in Oberbayern zu gehören.

Am Mittwoch, 18. April 1945 heulte kurz vor 14.30 Uhr die Sirene wieder auf: verschärfter Fliegeralam. 200 amerikanische Bomber greifen in mehreren Wellen das Bahnhofgelände Traunsteins an. Als die Bomben nieder gehen, ängstigt  nicht nur die Detonation, auch die totale Finsternis, die durch  den aufgewirbelten Staub entsteht. Nach der Entwarnung sieht der Pfarrer, der sich im Turm der Kirche befand, ein grauenvolles Bild: die Kirche hat kein Dach und keine Fenster mehr, Bombentrichter rundum - „schwere Schäden auch am Pfarrhaus“, so notiert er weiter.

Das Erntedankfest feiert man am 30.09.1945 in der fensterlosen Kirche; es waren zwar Ziegel und Glas aufzutreiben, aber kein Fensterkitt.

Betrachten wir nun das Bauwerk etwas genauer: Der Turm und das Kirchengebäude präsentieren sich als zwei selbstständige Bauwerke, die einander durchdringen und eine Einheit bilden, wie der Leiter des Heimathauses Dr. Eminger in seiner kunsthistorischen Würdigung unserer Kirche schreibt. Dieser Eindruck wird vor allem auch durch den Einschnitt des Turmes in das Dach erreicht.

Drei Bronzeglocken läuteten bis 1917, dann müssen sie dem Kriegsfiskus geopfert werden. Erst 1922 rufen wieder drei Glocken – diesmal aus  „Glockenstahl“ wieder  über und in die Stadt, im Jahre 2005 dann erhält die Kirche wieder ein klangvolles Geläute aus Bronze.  
Bildrechte beim Autor

Im Tympanon, der  freien Fläche über dem Portal, entsteht ca. 1905 bis 1907 das Relief „Christi Himmelfahrt“. Schöpfer ist Prof. Heinrich Schiestl aus Würzburg.

Wer die Kirche betritt, dem fällt gleich die einheitliche Raumwirkung auf. Nicht zuletzt ist der Eindruck darauf zurückzuführen, dass Bauamtsassessor Alfred Stamm, ein Schüler von Professor Thiersch, nicht  nur das Gebäude plante, sondern auch fast alle Einrichtungsgegenstände konzipierte bzw. deren Gestalt stark beeinflusste.

Magnetartig aber ziehen Chorfenster und Chorbogen unseren Blick an:

Bildrechte beim Autor
 
Das Fenster, eine 1952 fertig gestellte Arbeit des Marquartsteiner Künstler Heinrich von Kralik zeigt den auferstandenen Christus.

Die Szenerie des 1945 zerstörten Vorgängerbildes hatte die gleiche Symbolik, wirkte gestalterisch und farblich aber dichter. 
Das Gemälde am Chorbogen ist erst seit Ende der 80er Jahre wieder zu sehen. Die Renovierungen der 50er und 60er Jahre verlangten eine strengere, schlichtere Gestalt des Raumes.
 
Die Dreieinigkeit in himmlischer Höhe und der Chor der anbetenden Engel sind ein Werk des Münchener Malers Josef Widmann.
„Neu“ ist der Tisch des Herrn. Aus Eichenholz geformt steht der dritte Altar der  Kirche auf der vorgezogenen Zunge des Chorraumes, ganz im Sinne Luthers, damit sich die Gemeinde darum versammeln kann.
Auf die Kanzel – in den 60er Jahren völlig verändert, wurde bei der letzten Renovierung ganz verzichtet, das Pult ist nun der Predigtplatz.
 
Wenden wir den Blick zum Eingangsbereich, so bemerken wir, wie die zurückhaltende Farbgebung, die Quader markierenden Linien an den Wänden, rot marmorierten Arkaden, Gurtbögen und Fensterrahmungen. Der Raum wird so zu einer Einheit geformt. 
 
Bildrechte beim Autor

Strahlend schiebt sich auch die neue, nun schon wieder 16 Jahre alte Orgel in den Blick. Die Feier des Gottesdienstes mitzugestalten ist ihre erste Aufgabe, denn Musik und Gesang, sollen sich zusammen mit Andacht, Gebet, und Lesungen wie der Predigt zu einer Einheit verbinden. Die erste Orgel, die der Firma Steinmeyer aus Öttingen, genügte nach dem 2. Weltkrieg den Ansprüchen nicht mehr. 1953 erhielt das neue Instrument der  Fa. Rieger aus Vorarlberg seinen Platz auf der von hier aus gesehen linken Empore. So und durch das Vorziehen der Mittelempore gewann man mehr  Platz für die Kantorei. Der Blick wurde frei auf das große runde Fenster. Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre aber meinte der Sachverständige des Landeskirchenrates dass die Orgel als typisches Nachkriegsinstrument „abgängig“ sei. Also raffte sich die Kirchengemeinde zu einer großen Anstrengung auf und bestellte 1994 eine neue Orgel bei der Fa. Rohlfs. Übrigens: Die alte Orgel kam auf Umwegen in drei Schritten an die katholische Kirche St. Josef nach Dresden und leistet noch jetzt ihre Dienste.

Noch ein kurzer Blick auf die stämmigen Säulen. Sie tragen das Gewölbe und sind aus Ruhpoldinger Rotmarmor; den Glanz hat man ihnen bei der Renovierung in den 60er Jahren genommen. Kleine Engel, als Sänger ausgewiesen, tragen die Gewölberippen.

Alle Texte, die in der inzwischen leider fast vergriffenen Jubiläumsschrift „die ersten hundert Jahre“ zum Bauwerk und zu seinem Inneren Aufschlüsse geben, vermitteln den Eindruck, dass die Gesamtwirkung der Kirche trotz der Kriegsschäden und der teilweise den Zeitgeist sehr repräsentierenden Änderungen in den 50er und 60er Jahren nun doch wieder ganz nahe am Gesamtkonzept von Alfred Stamm bleibt. Ich denke, vor allem durch die nötige Rückbesinnung Ende der 80er Jahre konnte das erreicht werden.

Etwas zur Geschichte des Gotteshauses:

  • 1888 gründete sich der Kirchenbauverein. Verdienstvoller Vorsitzender war Paul Esenwein, die Planungsphase für die Kirche dauerte 10 Jahre.
  • 1891 konnte das Grundstück für 13.200 Mark gekauft werden. 
  • Prof. August Thiersch, München wurde zur Erstellung von Entwürfen beauftragt, schließlich entschied man sich gegen eine Holzständerbauweise und für eine Kirche aus Stein.
  • Der Schüler von August Thiersch, Assessor Alfred Stamm bediente sich bei seinem Konzept der Formensprache der Spätromanik, der Frühgotik. Der Baustil entspricht der Zeit um 1200 bemerkt Dr. Eminger.
  • Auf 49.000 Mark wurden die Kosten des Bauwerks geschätzt, mit 85.000 Mark schloss die Rechnung. Enthalten waren weder Torbogen noch Relief über dem Eingang. 50% brachten die evangelischen Christen des Einzugsbereiches auf.

Die Kirche ist ein bedeutendes Denkmal Traunsteins. Sie ist sowohl kunsthistorisch, geschichtlich, stadthistorisch und gesellschaftlich bedeutsam, ein prägendes Element des Stadtbildes, aber vor allem ein Gotteshaus: Endlich konnte man ab 1899 Gottesdienste in einer eigenen, "echten Kirche“ feiern, das Gemeindeleben durch diesen Kristallisationspunkt entfalten, ein starkes Heimatgefühl entwickeln.

Wie war es davor?

Der Rentamtmann Hartwig Peetz – eine herausragende Persönlichkeit der damaligen Gesellschaft - schaffte es im zweiten Anlauf, dass der Rat der Stadt ab 1872 den Ratssaal den Evangelischen für die Gottesdienste zur Verfügung stellte.

Franz Haselbeck, unser Stadtarchivar, nennt Peetz eine charismatische Gestalt. Er war Vorstand der Diasporagemeinde, Dichter, Heimatforscher, Schütze und Chef des Finanzamtes – er wurde Ehrenbürger der Stadt.

Wie waren die Rahmenbedingungen?

Der Wunsch nach einer eigenen Kirche und die  Verwirklichung der Vorstellung, beides fällt in eine Zeit größter Veränderungen: Justiz und Verwaltung werden in Bayern getrennt, das Eichwesen amtlich eingeführt, Traunstein erhält ein Landgericht neuer Ordnung, wird aus dem Bezirksamt Traunstein herausgelöst und als Stadt 2. Klasse unmittelbar der königlichen Kreisregierung von Oberbayern unterstellt, 1970/71 der Krieg mit Frankreich, die Reichsgründung etc. etc.

Der sehnliche Wunsch, eine eigenständige Kirchengemeinde zu sein, nicht nur Predigtstation, erfüllte sich erst 1915, als die königliche Erlaubnis eintraf. Die Pfarrei Traunstein war für heutige Verhältnisse riesengroß, denn es gab zwischen Rosenheim und Bad Reichenhall nur Traunstein.

In unserer Zeit gehören die Bereiche Seebruck, Chieming, Traunstein und Waging zum Evang.-Luth. Pfarramt Traunstein; der Gemeindename lautet „Evangelisch – Lutherische Kirchengemeinde Chieming, Traunstein, Waging“.

Die Gemeinde zählt 5.100 Glieder – nach dem zweiten Weltkrieg waren es, bedingt durch Evakuierung, Flucht und Vertreibung, an die 14.000.